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Eine Theorie der Konspiration 

27. November 2020, Jürg Messmer

Was ist eine Konspirationstheorie? Manchmal denke ich, dass das ganze menschliche Leben, das Denken, eine Art Konspiration ist. Auch die Demokratie. Alles was das anerkannte Denk- und Lebensmodell in Frage stellt, wird zur Konspirationstheorie verdammt, die Mauern der Überzeugung müssen ja immer gefestigt werden.

So hatte ich Angst, dass in Guatemala eine heimliche Konspiration am Entstehen ist, mit dem Ziel mir das Geld zu rauben. Dem privilegierten Gringo eine Falle zu stellen. Ist es wahr? Woran könnte ich es festmachen, und beweisen? Natürlich kann ich es nicht. Doch aus Angst vor meinem Schritt, aus Angst, mich zu verlieren, vertreten zu werden wie eine Küchenschabe, ist diese Idee gewachsen. Brauch ich die, um das Abenteuer abzubrechen, und in den Schoss der vermeintlichen Sicherheit der Schweiz zurückzukehren? Rosafarbig zeigt sich dann jene Welt. Vor allem, das Reisebüro, das ich jetzt in Anspruch genommen hatte, hilft mir. Natürlich ein Schweizer Reisebüro stellt sicher, dass ich meine Reise nach Guatemala trotzdem wahrscheinlich noch antreten kann. Volle Unterstützung, klare Informationen und Abläufe. Ich fühle mich zu Hause. Aber ich gehe. Zurück kann ich trotzdem nicht.

Ich habe weiterhin Angst, die Lage hat sich noch nicht beruhigt. Ich bin unsicher. Gleich habe ich Angst, dass ich alles verliere, das was vorne liegt, und das was hinter mir liegt. Seit einigen Tagen hat mein grosser Bruder keinen Kontakt mehr mit mir aufgenommen. Hat er mich ziehen lassen? Mich vergessen? Er ist nur einer von vielen, von denen ich das befürchte. Doch was erwarte ich, ich gehe ja! Trotzdem habe ich Angst. Ich bin verwöhnt und will den Foifer und das Weggli haben.

Seit Covid-19 bestimmt worden ist, und die Abwehrschlacht Fahrt aufgenommen hat, sind auch wieder Tonnenweise Konspirationstheorien aus dem Boden gewachsen. Völlig klar und verständlich, meiner Meinung nach. Covid-19 regt mich auf. Gefunden in Labors dieser Welt, die gewohnt sind, in Boxen zu denken, in kontrollierten Umgebungen, und darauf angelegt, Lösungen zu finden. Angewandte Wissenschaft im Dienst von Industrie, Politik, und im Kampf gegen unserer aller Unbehagen und Unsicherheit.

Masken tragen. Wieder Auto fahren. Grössere Häuser bauen, und virenfrei, virtuell kommunizieren. Jedem sein eigenes Reich, sein eigenes Spital. Geschützt, gerettet. Doch der Preis? Ja, die Angst vor dem Tod, vor der Veränderung, bringt den Wunsch nach Sicherheit. Ja, wer will das nicht, auch ich.

Doch ich bin wütend. Hilflos. Denn warum soll man ausgerechnet die wichtigsten Gewinne von Menschsein preisgeben. Warum soll man sich, aus Angst vor Veränderung, einbetonieren. Warum gehen alle Fragen um zukünftiges Zusammenleben, Oekologie, Mensch und Natur verloren. Nur noch Sicherheit. Und das konzertiert. Für alle das Gleiche. Es ist als wäre die Idee des Individuums, der Freiheit, geopfert worden, um die Freiheit vor dem Tod zu gewinnen. Vor was genau? Ich jedenfalls kenne den Tod nicht. Und wenn schon, warum nur den Schrecklichen? Eine Frau sagte mir mal, sterben sei das Beste, was mir passieren könne. Und das leuchtete mir ein. Doch immer noch habe ich immer wieder Angst. Doch fast mehr Angst habe ich vor diesem Gemetzel von Masken, Medikamenten und Impfungen. Impfungen gegen das Leben und gegen Veränderung.

Doch ich bleibe Mensch. Ich kann andere verstehen, weil ich ja auch das gleiche fühle. Ich bin nicht anders. Es ist die menschliche “Natur”, entstanden aus der Entdeckung eines Werkzeuges, dem Denken, das uns zu Herrschern dieser Welt gemacht hat, zum Schmied unseres eigenen Glückes. Und nun stehen wir da, als Schmied unseres Glücks und niemand hilft uns. Kein Wunder.

Teil vom Bericht: "Der fünfte Monat"

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